Alle haben Lust, irgendwas abzureißen
Interview von Laura May mit MaxHier in Ottakring ist die ehemalige Autowerkstatt wie das Herz von Kaorle, da kommen alle mal vorbei. In der Schmalzhofgasse war alles Handwerkliche viel unsichtbarer. Was ändert das?
Die Werkstatt war vorher ab vom Schuss und wenn ich dort war, war ich alleine. Vorne bin ich immer nur durchgelaufen zur Keramik und habe mich nicht getraut, in der Werkstatt etwas anzufassen oder ins Office zu gehen. Ich hatte lange kaum Kontakt zum Verein. Das ist natürlich hier was anderes, wo Metall- und Holzwerkstatt mitten im Kaorle sind. Da kriegen alle mit, wenn man in der Werkstatt ist – und schauen eher mal vorbei.
Wie bist du nach Kaorle gekommen?
Über meinen Freund Felix. Der hat als Willhaben-König einen billigen Keramik-Brennofen gefunden.
Und du machst Keramik?
Nur wenig. Aber er wusste, dass ich Interesse an Handwerk- und Werkstatt habe und hat mich mit ins Boot geholt. Die Schmalzhofgasse war recht nah an meiner Arbeit im 6. Bezirk und ich habe oft vorbeigeschaut. Die Werkstätten sind der Grund, warum ich hier bin. Alleine ist so ein Raum und all die Werkzeuge unfinanzierbar. Vor allem weil es nur ein Hobby ist, und nix Professionelles, wär das auch Quatsch sowas alleine zu machen.
Was habt ihr für Maschinen?
Holz können wir vom Sägewerk bis zum fertigen Möbel verarbeiten. Wir haben eine transportable Kreissäge, eine Hobelmaschine, Bandsäge, Oberfräse und alle möglichen Handgeräte.
Werkstatt heißt hauptsächlich Holzverarbeitung?
Holz steht insgesamt am besten da. Metall steht auch nicht schlecht da. Das ist hier in Ottakring erst entstanden. Da war ich auch beteiligt – ich hatte sehr viel Lust darauf, das zu können. Wir haben einen Schweißtisch, das ist so ein gerader Tisch mit Löchern. Wenn man Sachen schweißt, werden sie auf der einen Seite heiß und verziehen sich. Wenn ich sie auf den Tisch spanne, bleiben sie gerade. Außerdem hat die Keramikwerkstatt Töpferscheiben und Brennofen.
Woher kommen die Werkzeuge und Maschinen? Alle von Willhaben?
Das ist gemischt. Es gibt Sachen, die der Verein gekauft hat. Die ganzen Akkuschrauber zum Beispiel oder der Schweißtisch. Alle größeren Maschinen sind tatsächlich privat. Die Hobelmaschine haben wir uns zu viert gekauft. Das ist dann so etwas privat finanziertes, aus dem man sich auch irgendwie herauslösen kann und oder was früher oder später in Vereinseigentum übergehen könnte. Andere Geräte gehören schon einzelnen Leuten. Das kommt auf die Bedürfnisse an.
Hört sich nach einer hohen Hürde an. Viele wissen nicht, wie man eine Hobelmaschine bedient.
Es gibt Einführungen für die Werkstatt, bevor du sie das erste Mal alleine benutzt. Und es gibt eine Art Benutzerhandbuch, wo man alles nachlesen könnte – da sind auch Infos zu Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit drin.
Von dir?
Ja. Die Idee ist, dass alle Maschinen einen Farbcode bekommen. Alle die grün sind, kannst du dann immer verwenden; alle die gelb sind “sag halt Bescheid”; was rot ist, kannst du nur nehmen, wenn du dich dezidiert auskennst oder eine Einführung dazu bekommen hast. Bisher hat die Nutzung kein Ausmaß angenommen, bei dem ich mir Sorgen mache, dass sich jemand verletzt.
Du bist quasi der Werkstatt-Koordinator?
Wenn du die Werkstatt nutzen willst, kommst du eh nicht an mir vorbei. So funktioniert das alles niederschwellig und ohne fixes Programm. Die meisten Leute trauen sich sowieso nicht. Wenn jemand nicht weiß, was eine Hobelmaschine ist, kommt auch niemand auf die Idee, die anzufassen. Und das ist ganz gut so.
Teilt ihr eure Skills in der Werkstatt?
Es gibt gezielte Angebote. Das machen aber meistens andere Leute. Ich mache selbst Sozialarbeit als Lohnarbeit und habe jetzt nicht so super mega Bock drauf, hier in Kaorle wieder Prozesse so aufzubereiten. Ich bin gerne hier, um selbst was zu machen. Aber wir wollen die Mitglieder mehr einbinden. Ich habe versucht, so größere Projekte wie die Hochebene bei der Bar über die Werkstatt-Telegram-Gruppe zu kommunizieren, sodass alle die Möglichkeit haben mitzumachen.
Kaorle teilt Können. Und je mehr Menschen involviert sind, desto mehr Wissen steckt auch im Kollektiv. Verselbstständigt sich das?
Einer hat mal hier sein Motorrad repariert, dann haben wir mit ihm geredet und er hat dann einen Schweißworkshop gegeben. Oder die “Schrauberei” – Teil von unserem gezielten Flinta-Programm.
Was hast du schon so in der Kaorle-Werkstatt gebaut?
Hauptsächlich Infrastruktur für den Verein. Das FOH, wo Ton- und Lichttechnik drauf stehen, Flightcases für Technik, sämtliche Hochebenen, Teile der Bar, Teile vom Rigging, das an der Decke hängt. Vor allem der Veranstaltungsraum ist ziemlich professionell. Das ist inzwischen mehr als nur ein Hobby. Eigentlich war mein Plan, hier ein Boot zu bauen – aber das geht sich nicht mehr aus. Ich kaufe ja nicht vor dem potenziellen Umzug jetzt drei Tonnen Holz, die ich dann mit umziehen muss.
Was für ein Boot willst du bauen?
Ich habe Pläne für ein Ruderboot. Ein Holzboot aus so Streifen, wo außen und innen Glasfaser drauf kommt. Ja mei, das wäre schön gewesen, aber dafür ist einfach zu viel zu tun hier. Eine Zeit lang mussten wir bei jeder Veranstaltung irgendwas ändern. Die ganzen Schallschutz-Geschichten im Veranstaltungsraum, wie mit Schwerlastfolie verkleidete Fenster plus Rahmen und Absorber-Elemente, ein Podest, eine größere Bühne.
Was wird in der Keramik- und Töpferwerkstatt so gedreht und geknetet?
Ich gieße hauptsächlich Dinge aus Keramik und drehe selten an der Scheibe. Aber allgemein so die Klassiker. Alle fangen mit Aschenbechern an, dann Schüsseln…
Und nach den Schüsseln?
Vasen.
Und nach den Vasen?
Dann kommt die Skulptur, glaube ich. Aber bei Keramik habe ich ein bisschen den Überblick verloren. Da sind mit der Zeit andere Leute nachgekommen, die da mehr Ahnung und Lust zum Erklären haben.
Wie viele Leute nutzen die Werkstätten?
In der Holz- und Metallwerkstatt sind es recht wenige momentan. In der Keramikgruppe sind 43 Leute. Das ist der größte Nutzer-Batzen, den Kaorle hat. Regelmäßig tätig sind wohl so fünf bis zehn.
Wenn ich Keramik machen will in Kaorle, wende ich mich an dich?
Ja genau. Du wendest dich normal an die Emailadresse, dann kommst du in die Mitgliedergruppe und landest irgendwann in dieser Keramikgruppe – und dann melde ich mich darauf. Ich bin schon so die Verbindung zur Kernorga für die Werkstätten. Die Keramik hat eine Telegram-Gruppe und Grunde wäre die Idee, dass die sich selbst organisieren.
Welche Menschen wünschst du dir Kaorle in der Zukunft? Welche Skills fehlen?
Für mich ist es immer interessant, wenn die Leute Ausbildungen haben. Der Motorradtyp ist zum Beispiel Mechatroniker. Mit dem sind wir unsere ganze selbstgemachte Elektroverkabelung durchgegangen. Genauso in der Werkstatt oder bei der Keramik. Es ist immer gut, wenn es mehr Leute gibt, die das Handwerk wirklich gelernt haben – und da gibt´s auch immer mehr. Was bei uns geht ist ausprobieren – in einem anderen Keramikstudios wirst du niemals selbst die Brennkurve einstellen. Solche Sachen kann man hier gut lernen, es ist wie eine Spielwiese.
Ermöglicht die Werkstatt, eine Brücke zu bauen, raus aus der studentisch-akademischen Kunst- und Sozialblase?
Ja bestimmt. Ich habe ja auch nie studiert und bin kein Akademiker. Die Baustelle hier war für mich definitiv der Moment, wo auch der Kontakt in die Kernorga entstanden ist. Da überhaupt sichtbar zu werden. Zu zeigen, dass ich Sachen kann, die für den Verein auch interessant sind.
Die Baustellen-Phasen sind so etwas wie die Sternstunden der Werkstatt in Kaorle?
Die Baustelle war der krasseste Moment hier in der Werkstatt. Da war echt drei Monate jeden Tag Programm und es waren jeden Tag Leute da. Das war danach nie wieder so. Das war wirklich so ein Hub, wo in der Früh alle ankommen, Zeug holen und am Abend wieder da aufhören. Da gab's am ehesten echten Skillshare – wobei es eher das gemeinsame Lernen von Sachen war, die noch niemand davor gemacht hat.
Mitglieder ohne Baustellen-Kenntnisse haben sicher Hemmungen anzupacken oder Sorge, mehr Last als Hilfe zu sein.
Alle haben sehr viel Lust, irgendwas abzureißen. Weniger irgendwas aufzubauen und danach sauber zu machen. Aber ich glaube, insgesamt ist Trauen das Ding. Können tu ichs ja auch nicht, aber ich mache es trotzdem. Hier kann man es eben einfach machen und ausprobieren – und es dann dabei lernen. Genau dafür soll es Raum geben.
Was ist dein Tipp für Handwerksneulinge?
Keine Angst vor Fragen. Man kann eh alles machen, ich habs auch nicht gelernt. Man darf gerne irgendwo einfach anfangen. Dumme Fragen gibt es nicht. sondern einfach tun, dann lernt man schon.